Was für ein Glück, dass es Jesus gab.
Denn sonst würden der Wirtschaft weltweit jedes Jahr Milliarden € an Umsatz entgehen. Am „Fest der Liebe“ wird ja bekanntlich in Deutschland einfach noch mehr gegessen und gekauft als sonst. Und da wir ja in einer wunderbar globalisierten Welt leben, ist der Verkaufsschlager Weihnachten auch schon längst über den Atlantik geschwappt.
Das Ergebnis sind Plastiktannenbäume, geschmückt mit Plastikglitter und Plastikkugeln. An den Fenstern hängen Plastikleuchten, die in 1000 Farben hektisch blinkend eine Plastik- Jungfrau- Maria in künstliches Licht tauchen. Draußen kleben Pla… kate mit demselben weißbärtigen Weihnachtsmann, den wir auch von zuhause kennen. Fröhlich lachend trinkt er aus einer kleinen Glasflasche das Weihnachtsgetränk schlechthin… COCA COLA!
Warum bitte sollte denn der Weihnachtsmann eisgekühlte Cola trinken? Ihm ist doch gar nicht warm, sonst würde er doch keinen dicken Mantel und Mütze tragen! Aber hey, vielleicht ist die Cola, die er trinkt, gar nicht gekühlt, sondern warm…
Ein Schlückchen warme Cola… ?
Nein danke. Jetzt reichts. Ich hab verdammt nochmal keine Lust auf so ein kommerz- import- Weihnachten. Das ist total unecht.
Doch trotzdem ist es Manuel und mir gelungen, vor etwa einem Monat richtig Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen. Dafür benötigten wir lediglich einen der zahlreichen Stromausfälle, eine kleine Kerze und unsere Stimmbänder. Denn dann trällerten wir los, von ‚Stihiille Nacht, heilige Nacht‘ bis ‚Sankt Maaartin, Sankt Maaaartin‘, im Beisein unserer alten Gastmutter, die uns dann auch noch ein paar Spanische vorgesungen hat. Das war wirklich schön. Und ich habe dabei gemerkt, dass man so gut wie gar nichts für Weihnachten braucht.
Wobei…
Kekse braucht man.
Und auch wenn die nicaraguanischen Bäcker teilweise wirklich gut sind, ließen wir es uns nicht nehmen, selber den Schneebesen zu schwingen, für Kokosmakronen (mit selbstgeriebener Kokosnuss), Orangen- Schoko-Plätzchen (Orangen vom Baum am Wegesrand, die Schokolade natürlich von der MASA S.A.), Ingwer-Kekse, sowie Lebkuchen (die notwendigen Gewürze haben uns die Eltern von Schweizer Freiwilligen mitgebracht). Auf der Cuculmeca-internen Weihnachtsfeier wurden letztere dann mit großer Begeisterung aufgenommen und restlos aufgegessen.
Leider floss an besagter Weihnachtsfeier auch reichlich Alkohol, der selbst Zungen lockerte, die sonst in ihrer Meinungsäußerung eher zurückhaltend schienen. Irgendwann jedenfalls redeten eine Hand voll Männer aller Altersklassen auf uns ein, endlich doch mal was mit einer Nicaraguanerin anzufangen (sehr unangenehme Situation, da wir, ganz abgesehen davon, dass wir beide ja schon vergeben sind, im Moment vor lauter Selbstfindung gar keinen Kopf für Mädchen haben). Das Verständnis der Latinos für diese beiden Gründe hielt sich dann auch in Grenzen, woraufhin wir uns mit der Frage konfrontiert sehen mussten, ob wir nicht schwul seien, was mich zu einem interessanten Thema in Nicaragua und auf der ganzen Welt bringt.
Die Homosexualität
Dass man in Deutschland mal als schwul bezeichnet wird, wenn man nicht den Assi-Proleten raushängen lässt, ist mir ja nichts Neues. Was hier aber als schwul gilt, ist erst recht lächerlich. Außerhalb der Arbeit ist es somit schon ‘verdächtig‘, getrennt von der Gruppe mit einem anderen Mann zu REDEN.
Warum?
„Na wenn die nichts zu verbergen hätten, könnten sie das doch auch vor uns ausdiskutieren!“
Auch für Frauen ist es problematisch, z.B. ineinander eingehakt zu laufen („Man könnte uns für lesbisch halten.“)
Was will man dem noch entgegnen.
Nach einigen Gesprächen und Nachdenken über dieses Thema, das leider hier wie dort nur mit sehr viel Hemmung angefasst wird, kam ich zu einigen Erkenntnissen, die ich euch hier präsentiere (andere Meinungen/ Kommentare sind wie immer gern gesehen).
Die krasse Unterscheidung in homo- und heterosexuell findet nur in der Kultur statt und ist damit keinesfalls allgemeingültig. Im„Ach, so kultivierten“antiken Griechenland zum Beispiel war Homosexualität unter Männern etwas sehr Edles, was die Mächtigsten der Mächtigenuntereinander ausübten, um sich gegenseitig ihre Überlegenheit zu zeigen.
In einigen afrikanischen Stämmen wird ein Jüngling sogar erst zum “Mann”, nachdem er eine Nacht bei dem Stammesältesten verbracht hat, die ihm Vorsicht beim Beischlaf mit einer Frau lehren soll.
In der Tierwelt gibt es auch massig Beispiele dafür, dass Homosexualität keineswegs wider der Natur ist. Ich erinnere mich daran, dass die zwei weiblichen Hasen, die wir mal hatten, auch ab und zu aufeinander herumgehoppelt sind. Wenn man nicht gerade davon ausgeht, dass der Teufel sie dabei geritten hat, könnte man denken, dass sie einfach tun, was ihnen gefällt. Und solange man tut, was einem gefällt, ohne jemand anders dabei zu sehr zu stören, ist es Teil der persönlichen Freiheit, dessen Realisierung keinen außer der betreffenden Person etwas angeht.
Ich glaube außerdem, dass jeder für sich seine Sexualität finden muss. Für mich ist sie etwas sehr Vertrauliches, was Zeit braucht, aber spannend ist. Für dich ist sie vielleicht anders und das ist mir auch völlig egal.
Und zu guter Letzt sollte man nicht vergessen, dass die Sexualität zwar ein Teil des Menschen ist, aber sicherlich nicht der, nach dem man eine Person, beurteilen sollte.
Und wenn ihr euch jetzt fragt, wieso der Sasan seinen Monatsbericht über den Freiwilligendienst in Nicaragua so einem strittigen Thema widmet, dann lasst euch gesagt sein, dass ich selbst in Deutschland immer wieder auf sehr sehr oberflächliche Meinungen zu diesem Thema stoße („Ich hasse Schwule! Aber Lesben sind geeil…“). Es besteht also in jedem Falle noch Denkbedarf.
Nu reichts aber erstmal.
Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn plötzlich ein bekanntes Gesicht, zum Beispiel Deins, um die Ecke käme. Was fast unmöglich ist, da ich mittlerweile eigentlich in zweiWelten lebe, die sich, bis auf gelegentliche Ausnahmen über das Internet, kaum berühren. Wie es sich aber anfühlt, wenn diese aufeinandertreffen, kann ich euch in meinem nächsten Monatsbericht erzählen, der von meinen ganzen bisherigen Reisen, inklusive der jetzt kommenden mit Ayla nach Costa Rica, handeln wird. Und von der Projektidee, die kürzlich bewilligt wurde :)
Auf dass euch die Weihnachtsgans (die ihr hoffentlich nicht im Supermarkt geholt habt) nicht im Halse stecken bleibt,
Mit vielen Gedanken und den besten Weihnachtsgrüßen,
Euer Sasan
P.S.: Es gibt allerdings auch echt schöne Dinge am nicaraguanischen Weihnachten. Zum Beispiel, dass ich hier noch nicht 1x WHAMs ‚Last Christmas‘ hören musste, da alle Weihnachtssongs auf Spanisch sind. Und die sind manchmal sogar ziemlich cool, eins möchte ich euch als Lied des Monats vorstellen: